Stuttgart 21

Die Auseinandersetzung um das (Immobilien-)Projekt Stuttgart 21

Kein Stuttgart 21

Wir kamen berufsbedingt Anfang 2009 nach Stuttgart, als die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 (S21) so richtig losgingen. Bis dahin hatten wir noch nichts davon gehört, obwohl das Projekt schon seit gut zwei Jahrzehnten verfolgt wird. Es ist ja keineswegs so, daß Stuttgart 21 seit Jahrzehnten geplant wird, und die Bürger jetzt, da gebaut werden soll, erst wach werden. Der Widerstand ist so alt wie das Projekt, aber er war noch bis etwa 2008 ein eher lokales Phänomen. Für uns wurde dann schnell klar, daß dieses Projekt auch für uns völlig inakzeptabel ist und wir uns dagegen engagieren. Es ist in erster Linie Steuergeld des Bundes, also auch unser Geld, das für S21 verpulvert werden soll. Die katastrophalen Nachteile von S21 sind unter der schicken Oberfläche verborgen und erschließen sich erst, wenn man sich näher mit dem Projekt beschäftigt. Die folgende Darstellung der Fakten zu S21 erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Sie soll vor Allem den Nicht-Stuttgartern zeigen, worum es bei diesem Projekt (eigentlich) geht und warum es alle betrifft, nicht nur die Stuttgarter. Warum also wollen so viele Menschen den schönen neuen Bahnhof nicht?

  Sogenannte "Argumente" Die Politik und S21
  Risiken von S21 Der Widerstand gegen S21
  Wem nutzt S21? K21 - Die sinnvollere Alternative
  Wem schadet S21? Wie geht es weiter?

Geschichte

Bei Stuttgart 21 soll der 16-gleisige Kopfbahnhof (K20) durch einen - um 90 Grad gedrehten - 8-gleisigen Bahnhof unter der Erde ersetzt werden. In den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es eine ganze Reihe von "21er" Projekten der Bahn: Frankfurt 21, München 21, sogar Lindau 21. Die "21" steht dabei für das 21. Jahrhundert, soll also die Anmutung "Zukunft" transportieren. Bei diesen ging es immer um den Umbau eines bestehenden Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Dadurch würden nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofes die Flächen des Gleisvorfeldes frei, die dann immobilienwirtschaftlich genutzt werden könnten. Im Fokus standen also in erster Linie Immobiliengeschäfte, nicht verkehrspolitische Notwendigkeiten.

Die 21er-Projekte wurden nach und nach begraben, Frankfurt 21 z.B. vor genau 10 Jahren. Stuttgart 21 ist das einzige dieser Projekte, das noch immer verfolgt wird und gegen alle Widerstände (und leider auch gegen jede Vernunft) durchgesetzt werden soll.

Auch Stuttgart 21 war zwischenzeitlich mehrmals tot und wurde aus politischen Gründen jedes Mal wiederbelebt (zuletzt brauchte der angeschlagene Ministerpräsident Oettinger nach seiner heftig kritisierten Filbinger-Trauerrede 2007 ein visionäres Projekt für sein politisches Überleben). Der Widerstand begleitete das Projekt S21 von Anfang an. Da es aber mehrfach bereits beendet war, endete damit natürlich auch jeweils der Widerstand.

Warum ausgerechnet 8 Gleise? Damit hätte der neue Stuttgarter Hauptbahnhof so viele Gleise wie der Ulmer Hauptbahnhof. Ganz einfach: Weil nicht mehr Gleise zwischen die Bahnhofshalle, die erhalten bleiben soll, und das Bankgebäude der LBBW passen. Stuttgart 21 ist also ein gigantischer Rückbau von Infrastruktur der Bahn, was mittlerweile öffentlich gewordene Geheimdokumente der Bahn belegen.

Sogenannte "Argumente"

"Ein Durchgangsbahnhof ist einem Kopfbahnhof überlegen".
Das war mal so, bis in die achtziger Jahre vielleicht. Bis dahin mußten sich Lokomotiven am Anfang eines Zuges befinden. Wenn ein Zug in einen Kopfbahnhof eingefahren war, mußte die Lokomotive abgekoppelt und eine andere am Ende des Zuges angekoppelt werden, bevor der Zug weiterfahren konnte. Das ist aber schon lange nicht mehr der Fall, und jeder, der heutzutage mit der Bahn unterwegs ist, weiß das. Die ICE-Züge wurden von vorneherein mit zwei Triebköpfen konstruiert. Und die Regionalzüge besitzen am Ende des Zuges einen Leitstand, von dem aus die Lokomotive quasi "ferngesteuert" werden kann. Der Lokführer muß sich also wie beim ICE nur an das andere Ende des Zuges begeben und der Zug kann weiterfahren. Aus dem "Zug" wird dann sozusagen ein "Schieb". Das Wechseln der Lokomotiven ist heutzutage nur noch selten nötig.

Im Gegenteil bietet der 16-gleisige Kopfbahnhof die Möglichkeit des ebenerdigen -barrierefreien- Umsteigens; Züge können aufeinander warten. Auf diese Weise läßt sich ein sog. "integraler Taktfahrplan" realisieren, wie er bei der Schweizer Bahn seit Jahren bestens funktioniert (siehe die -exzellente- Animation auf Youtube). Demgegenüber können Züge im nur 8-gleisigen Tiefbahnhof nicht aufeinander warten, sondern müssen das Gleis für den nächsten Zug freimachen. Der integrale Taktfahrplan ist damit für immer ausgeschlossen und evtl. Fahrzeitgewinne werden durch das Verpassen von Anschlußzügen, die nicht warten konnten, zunichte gemacht oder ins Gegenteil verkehrt.

"Stuttgart 21 ist alternativlos."
Dieses "Argument" der S21-Befürworter stimmt sogar. Aber nur deshalb, weil Alternativen (wie z.B. K21, s.u.) gar nicht erst untersucht worden sind. Alternativen hätten ja bedeutet, daß der Kopfbahnhof und damit das Gleisvorfeld erhalten worden wären, was die Immobiliengeschäfte vereitelt hätte.

"Stuttgart 21 ist ein Jobmotor"
Von den S21-Befürwortern wird behauptet, das Projekt würde 24.000 Arbeitsplätze für Stuttgart bringen. Eine Analyse des Stuttgarter IMU-Instituts hat jetzt ergeben, daß S21 bestenfalls 1000 feste Arbeitsplätze (wenn überhaupt) für die Region schafft.

"Stuttgart 21 ist das bestgeplante Bahnprojekt"
Die S21-Befürworter werden nicht müde zu behaupten, es sei das "bestgeplante und bestgerechnete Projekt" überhaupt. Jedoch wurde erst im Zuge der sog. Schlichtung von der Bahn ein Fahrplan und ein Konzept für den Betrieb entwickelt. Dieses zeigte dann, daß der Tiefbahnhof maximal ebenso viele Züge bewältigen kann wie der bestehende Kopfbahnhof, noch vor einer Modernisierung. Viele technische Aspekte, wie die Oberleitungen, die Signaltechnik oder der Brandschutz, sind noch überhaupt nicht geplant. Im Rahmen der sog. Schlichtung haben Wirtschaftsprüfer bestätigt, daß von der Bahn nur mögliche Einsparungen, jedoch keine Kostenrisiken beziffert wurden. Bahnchef Rüdiger Grube räumte schließlich ein, daß von einem "bestgeplanten Projekt" keine Rede sein kann.

"Stuttgart 21 ist demokratisch legitimiert"
Von Seiten der S21-Befürworter wird gebetsmühlenartig wiederholt, Stuttgart 21 sei "demokratisch legitimiert". In der Tat wurde das Projekt Stuttgart 21 von demokratisch gewählten Gremien (Gemeinderat, Landtag) beschlossen. Dazu muß man jedoch wissen, daß die Bahn bis heute entscheidungsrelevante (aber nicht zum gewünschten Ergebnis passende) Studien geheimhält. Die entscheidenden Politiker kannten also nicht die ganzen Fakten - nicht die ganze Wahrheit zu sagen ist auch gelogen! Die angeblich "demokratisch legitimierten" Beschlüsse sind mithin durch arglistige Täuschung zustandegekommen, die geschlossenen Verträge daher nichtig. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Verfassungsrechtler Prof. Hans Meyer, der darüber hinaus die vorgesehe Mischfinanzierung von S21 von Bund, Land und Stadt Stuttgart als verfassungswidrig einstuft.

"Die Bahn besitzt doch das Recht zu bauen"
Man hört immer wieder, daß die Bahn doch das Baurecht habe, ja sie habe sogar die Pflicht, zu bauen. Zum Baurecht gehören nicht nur geschlossene Verträge, sondern die Pläne müssen planfestgestellt sein. Und dieses langwierige Verfahren ist nicht für alle Bauabschnitte abgeschlossen, ja es ist z.T. infolge fehlender Planung (siehe bestgeplantes Projekt) noch gar nicht beantragt (z.B. für den Anschluß des Flughafens). Bei anderen Abschnitten muß das Planfeststellungsverfahren erneut durchlaufen werden, weil umfangreiche Änderungen die erteilten Genehmigungen ungültig machen (z.B. beim Fildertunnel oder beim Tiefbahnhof durch die Verdoppelung der Grundwasserentnahme). In der sog. Schlichtung sind grundlegende Änderungen gefordert (und beim sog. "Stresstest" von der Bahn gleich einbezogen worden), für die aber keine Pläne oder gar Genehmigungen vorliegen.

"Wenn die soviel Geld ausgeben, dann muß an dem Projekt doch was dran sein"
Das mag der sog. "kleine Mann" / die "kleine Frau" denken, wenn er / sie sich schon nicht weiter mit den Fakten beschäftigen möchte. Und im privaten Bereich ist es ja auch so; man würde doch kein Geld ausgeben, wenn die Gegenleistung dem nicht entspricht. Im Falle von S21 ist dieses einfache Prinzip jedoch außer Kraft gesetzt: Diejenigen, die zur Kasse gebeten werden, sind nicht die Profiteure des Projektes. Die Profite der Bahn und die späteren Immobiliengewinne streichen die Projektbetreiber ein, während die große Masse der Steuerzahler bluten darf. Noch dazu ist das, was wir dafür bekommen sollen (S21), schlechter als das, was wir schon haben (K20). Und solange man sich das nicht klarmacht, bleibt der große Aufschrei und die Empörung der Bürger aus.

"Bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 kommen auf das Land und die Stadt Stuttgart Kosten von 1,5 Milliarden Euro zu"
Je enger es für die Bahn und die Projektbetreiber wird, desto dreister werden die Lügen, mit denen eine Drohkulisse aufgebaut werden soll. Wenn man sich aber die einzelnen Posten näher anschaut, aus denen sich die gewaltige Summe zusammensetzt, bricht die Kulisse in sich zusammen. Näheres findet man unter S21-Gegner: Ausstiegskosten von 300 Millionen. Hier nur so viel: In den sogenannten "Ausstiegskosten" sind z.B. 460 Millionen Euro (zuzgl. Zinsen in dreistelliger Millionenhöhe) enthalten, mit denen die Stadt Stuttgart der Bahn 2009 das Gleisvorfeld abgekauft hat, was rechtlich aber nicht zulässig war (s.u.). Hierbei von Kosten zu reden, ist mehr als dreist! Und wenn endlich die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung von S21 offiziell festgestellt werden wird, so erledigt sich durch die Nichtigkeit der geschlossenen Verträge der Anspruch der Bahn auf Schadenersatz sowieso.

"Stuttgart 21 ist wichtiger Teil der Magistrale Paris - Bratislava"
Dieses "Argument" zeigt, für wie dumm Bahn und Politik die Menschen im Land halten. Die "Magistrale Paris - Bratislava" ist eine Erfindung der Bahn und ist in der Praxis ohne Bedeutung, wie Bahn-Technikvorstand Kefer in der sog. "Schlichtung" einräumen mußte. Mal ehrlich: Welcher Geschäftsmann würde, wenn er von Paris nach Bratislava wollte, die Bahn nehmen, und wie viele Geschäftsleute wären das überhaupt? Daß Stuttgart bereits jetzt an den europäischen Fernverkehr angeschlossen ist, zeigt der TGV, der mehrmals täglich in Stuttgart ein- und ausfährt, und das wird er auch dann noch tun, wenn Stuttgart 21 erst auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sein wird.

"Nach der verlorenen Volksabstimmung ist Widerstand gegen S21 doch sinnlos"
Diesen oder ähnliche Sätze hören wir regelmäßig bei unseren Diensten an der Mahnwache. Dem ist entgegen zu halten: Die Fragestellung der sog. "Volksabstimmung" war, ob das Land Baden-Württemberg aus der Finanzierung von S21 aussteigen soll oder nicht. Das Projekt S21 selbst war nicht Gegenstand dieser Abstimmung. Falls jetzt über den Umweg der Prüfung einer Enteignungsklage für ein Haus, das S21 im Weg steht, nun doch die Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung von S21 festgestellt wird, hat sich auch der Gegenstand dieser Abstimmung erledigt. Widerstand gegen S21 lohnt sich also noch immer!

Risiken von S21

Das Kostenrisiko
Anfangs wurde für das Projekt S21 mit dem Argument geworben "Des koscht nix!". Die Immobilienerlöse sollten angeblich den Bahnhofs-Neubau finanzieren. Davon ist heute nicht mehr die Rede. 1994 wurden von der DB ca. 4.9 Mrd. DM als Kosten für das Projekt Tiefbahnhof Stuttgart 21 angegeben. Umgerechnet sind das ca. 2,5 Mrd. Euro. In der Vereinbarung zwischen den Trägern des Projekts, der DB AG, dem Bund, dem Land, der Region und der Stadt Stuttgart vom 19. Juli 2007 sind es bereits 2,8 Mrd. Euro. Zusammen mit 1,3 Mrd. Euro sog. Risikozuschlag waren es 4.1 Mrd. Euro. Im Sommer 2008 mußten die Projektpartner einräumen, dass der Tiefbahnhof mindestens 3,076 Milliarden Euro kosten wird. Mit Abschluss der Finanzierungsvereinbarung waren es dann 4,1 Milliarden Euro. Der Risikopuffer wurde wundersamerweise auf 450 Millionen Euro reduziert, das Kostenrisiko lag plötzlich nur noch bei einem Drittel! Nur noch 11% Risikozuschlag für ein auf 10 Jahre geplantes Projekt!

Als angebliche Sollbruchstelle für das Projekt werden Kosten von 4,5 Mrd. Euro angegeben, andernfalls solle S21 aufgegeben werden. Wenn jedoch erst mit dem Bau richtig begonnen wurde, und große Teile des Kopfbahnhofes abgerissen wurden, kann man davon ausgehen, daß die Projektpartner (natürlich ohne die Bahn) genötigt sein werden, unbegrenzt Steuergelder nachzuschießen, damit nicht im Herzen von Stuttgart eine häßliche Bauruine zurück bleibt. Fakten aus der sog. Schlichtung und öffentlich gewordene bahninterne Papiere zeigen, daß wichtige technische Details wie Signaltechnik und Oberleitungen noch überhaupt nicht geplant sind und vss. mit dreistelligen Millionenbeträgen die Gesamtkosten nach oben treiben werden, ebenso die Auflagen des sog. Schlichters Geißler (so sie denn überhaupt realisiert werden sollen).

Geologische Risiken
Stuttgart besitzt einen extrem problematischen Untergrund. Dort bewegen sich sehr ergiebige Ströme von Mineralwasser, durch wasserundurchlässige Schichten von Gipskeuper getrennt. Wenn Wasser in diesen Gipskeuper eindringt, was bei den Tunnelbohrungen kaum zu vermeiden sein wird, quillt dieser auf. In dem Städtchen Staufen am Oberrhein läßt sich dieser Effekt aktuell beobachten. Dort wurde bei Bohrungen zur Erdwärmenutzung versehentlich eine Gipskeuperschicht angebohrt. Nun quillt der Gips unter der Stadt, die Häuser bekommen bereits Risse. Und die Hauseigentümer bleiben auf den Schäden sitzen; keine Versicherung zahlt, nicht die ausführende Firma, nicht die Gemeinde, nicht das Land. Und in Stuttgart würde es nicht bloß ein Bohrloch, sondern zwei Röhren mit jeweils acht Metern sein, dazu noch unter einer Großstadt. Ein Alptraum!

Risken für das Mineralwasser
Stuttgart besitzt neben Budapest die ergiebigsten Mineralwasserquellen Europas. Für den Bau von S21 soll der Grundwasserspiegel um 18 Meter abgesenkt werden, damit die Baugrube nicht voll Wasser läuft. Das abgepumpte Wasser soll dann über 17 km oberirdische Leitungen quer durch die Stadt gepumpt und an anderer Stelle in den Boden gedrückt werden. Es wird befürchtet, daß das Mineralwasser dabei dauerhaft verunreinigt wird, die Quellen vielleicht sogar ganz versiegen könnten. Geologen befürchten auch, daß das in den Boden gedrückte Wasser zu Hangrutschungen führen könnte. Kürzlich wurde bekannt, daß die Bahn auf einmal die doppelte Menge Wasser abpumpen muß als ursprünglich beantragt (siehe bestgeplantes Projekt). Es könnte auch sein, daß die Grundwasserabsenkung nicht auf die Bauzeit beschränkt bleiben kann, sondern auf Dauer erfolgen muß, damit der Tiefbahnhof nicht voll Wasser läuft.

Risken im Brandfall
Besonders tückisch und folgenschwer sind Brände von Zügen in Tunneln, da hier die Brandstelle schlecht zugänglich ist und durch den Tunnel möglicherweise eine Kaminwirkung entsteht, die das Feuer erst richtig anfacht. In ICE-Triebköpfen befinden sich jeweils etwa drei Tonnen Öl zur Kühlung der Transformatoren. Was es bedeutet, wenn dieses Feuer fängt, zeigte ein Brand eines ICE um Hauptbahnhof von Offenbach am 22. November 2001. Dieser konnte trotz bester Zugänglichkeit der Brandstelle erst nach fünf Stunden (!!) gelöscht werden (siehe Film ICE-Brand). Man wagt es nicht, sich den Brand eines vollbesetzten ICE in einem der Tunnels von S21 vorzustellen; noch dazu einem Tunnel, dessen Querschnitt von der Bahn aus Kostengründen reduziert wurde. So makaber es klingt, aber dagegen erscheint die Katastrophe von Kaprun wie der reinste Kindergeburtstag! Daß die Bahn die Löschwasserleitungen in den Tunnels trocken lassen will und es im Brandfall bis zu 45 Minuten (!!) dauern würde, bis das Löschwasser überall zu Verfügung steht, spielt dabei auch keine Rolle mehr, da ein Brand wie der oben beschriebene ohnehin nicht mit Wasser gelöscht werden darf. Warum setzt die Bahn Ihre Kunden einem solchen unverantwortlichen -und gleichzeitig unnötigen- Risiko aus?

Risken für die Bahn
S21 monopolisiert die Investionen der Bahn, d.h. die Steuergelder, die der Bund für Bau und Erhaltung der Schienen- Infrastruktur Jahr für Jahr an die Bahn zahlt, wird zum Großteil in S21 fließen und fehlt bundesweit für teilweise weitaus wichtigere Projekte und die Erhaltung der Gleis-Infrastruktur. Der Bund zahlt der Bahn ja nicht deshalb eine größere Summe, weil sie in Stuttgart einen teuren Bahnhof baut. Seit die Bahn in eine AG umgewandelt wurde, spart diese bereits bei der Erhaltung der Infrastruktur. Das führte dazu, daß heute Züge an vielen Stellen langsamer fahren müssen als noch vor 20 Jahren. Aber die Bahn baut für Milliarden lieber Schnellfahrstrecken und S21, als für ein paar Millionen den Zustand der bestehenden Gleise zu erhalten.

Risken für die Demokratie
S21 basiert auf einer Mischfinanzierung; die Bahn steuert Bundesmittel, das Land Gelder aus dem Haushalt des Landes, die Stadt Stuttgart städtische Gelder bei. Laut Verfassungsrechtlern wie Prof. Hans Meyer ist dies ganz klar gegen die Verfassung; Investitionen in die Bahn-Infrastruktur, und da zählt S21 dazu, sind Aufgabe des Bundes, da dürfen sich Länder und Kommunen nicht beteiligen. Hier wurde von früheren Regierungen des Landes sowie Oberbürgermeistern Rechtsbeugung betrieben. Das hätte die neue Landesregierung dringend juristisch klären lassen und abstellen müssen, um Schaden vom Gemeinwesen und der Demokratie abzuwenden, der durch eine Duldung des Rechtsbruchs entsteht.

Statt dessen hat die Landesregierung zugunsten der sog. "Volksabstimmung" - deren Ausgang vorherzusehen war - auf die juristische Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung verzichtet. Dadurch wurde ein sehr wahrscheinlich verfassungswidriger Tatbestand zur Abstimmung gestellt und durch den Ausgang der Abstimmung praktisch legitimiert, sozusagen der größte anzunehmende Unfall für eine Demokratie!

Wem nutzt S21?

In erster Linie der Bahn. Dazu muß man wissen, wie in Deutschland Bahnprojekte finanziert werden. Projekte wie S21 werden aus Steuergeldern finanziert; die Bahn ist ja zu 100% in Bundesbesitz. Die Bahn ist Bauherrin, sie plant, macht Ausschreibungen und koordiniert die Ausführung. Dafür kassiert sie etwa ein Sechstel der Bausumme (im Falle von S21 sind es 17%) ohne Nachweis ihres tatsächlichen Aufwandes. Von jedem Euro Steuergeld, den die Bahn für S21 ausgibt, kassiert sie 17 Cents! Je mehr Geld also ausgegeben wird, desto höher steigt der Anteil der Bahn (und wahrscheinlich auch die Boni des Bahn-Managements!). Die Bahn muß sich ihre Bauprojekte zunächst vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) genehmigen lassen und liefert dafür -nach Erfahrungen bisheriger Projekte- frisierte Kosten-/Nutzenrechnungen und Kostenschätzungen ab. Sobald ein Projekt aber mal durchgewunken ist, dann ist es eine Gelddruckmaschine für die DB. Und die Erfahrung hat gezeigt, daß Bahnprojekte generell 50 bis 100% teurer werden als ursprünglich veranschlagt. Jede weitere Kostensteigerung erhöht ja den Anteil der Bahn. Die Bahn hat also gar kein Interesse, kosteneffizient zu bauen. Da wird auch S21 keine Ausnahme bilden. Und mit der Bahn freuen sich auch Tunnelbohrfirmen, Baukonzerne und die Immobilienwirtschaft über fette Gewinne in der Zukunft.

Die Stadt Stuttgart hatte bereits 2009 für 460 Millionen Euro (zuzgl. Zinsen in dreistelliger Millionenhöhe) das Gleisvorfeld von der Bahn gekauft und wird es frühestens in 10, wahrscheinlich aber eher in 15 oder 20 Jahren verwerten können. Für die Bahn ein weiterer schöner, außerordentlicher Gewinn. Ob die Stadt jedoch die Immobiliengewinne, die sie sich erhofft, auch realisieren wird, ist angesichts des Leerstandes bei Gewerbe- immobilien mehr als fraglich. Und daß auf den freiwerdenden Flächen Sozialwohnungen entstehen, darf aufgrund des hohen Verwertungsdrucks getrost bezweifelt werden. Momentan wird jedoch juristisch die Frage geklärt, ob die Bahn zu diesem Verkauf überhaupt befugt war, denn Bahngrundstücke sind Sondervermögen des Bundes. Vielleicht stellt sich noch heraus, daß dieses Grundstücksgeschäft wegen Nichtigkeit wieder rückabgewickelt werden muß.

Wem schadet S21?

Den Steuerzahlern
Egal, von welchem der Träger des Projekts das Geld stammt, das in Stuttgart vergraben werden soll, von der DB AG, vom Bund, vom Land, der Region oder der Stadt Stuttgart, es ist Steuergeld. Und das zahlen wir alle, ob wir in Stuttgart wohnen oder in Wiesbaden, ob wir mit der Bahn reisen oder nicht. Und je höher die Kosten für S21 steigen, desto mehr muß anderswo eingespart werden, denn das Geld liegt ja nicht herum. Bei der Bildung, bei den sozial Schwachen, usw.

Den Bahnkunden
Stuttgart 21 schafft mit seinem Tiefbahnhof einen Flaschenhals. Die Verbindungen zwischen Fernverkehr, Regionalverkehr und Nahverkehr werden schlechter (siehe "Argumente"). Die Kapazität ist limitiert durch die Reduzierung auf nur 8 Gleise und kann später auch nicht mehr erweitert werden. Wegen seiner riesigen Kosten blockiert das Projekt für mindestens 10, eher 15 Jahre, bundesweit weitgehend die Investitionen in den Bahnverkehr. Anderswo verlottern die Bahnhöfe, verrotten die Gleise, und in Stuttgart soll das Geld vergraben werden. Stuttgart 21 schädigt das System Bahn, statt es zu verbessern.

Gleichzeitig werden die Ticketpreise steigen, da die Bahn die immensen Kosten zumindest teilweise auf die Kunden umlegen wird. Durch die gleichzeitige Nutzung von Gleisen durch Nah- und Fernverkehr werden für den Nahverkehr die Streckenentgelte steigen, weil die DB Netz für ICE-Strecken mehr Geld pro km verlangt, auch wenn nur die S-Bahn darauf fährt. Auch das wird sich auf die Ticketpreise auswirken.

Schließlich wird die Bahn vom Land höhere Entgelte für Nahverkehrsleistungen verlangen. Da das Land aber sicher weder bereit noch in der Lage sein wird, jährlich eine größere Summe zu zahlen, werden folglich die Verbindungen im Nah- und Regionalverkehr schlechter werden müssen.

Den Stuttgartern
Als Bauzeit für S21 werden 10 Jahre angegeben, Fachleute gehen eher von 15 bis 20 Jahren aus. In dieser Zeit wird die Stadt unter Baulärm, dem Verkehr von Baumaschinen und Lastwagen, unter Staub und Abgasen leiden. Im Mittleren Schlossgarten, einer grünen Oase mitten in der Stadt, sollen über 250 Großbäume gefällt werden. Ein Teil des Parks muss sogar komplett dem Betontrog des Tiefbahnhofs weichen. Da während der Bauzeit (evtl. auch noch danach, vielleicht für immer) im gesamten Mittleren Schlossgarten das Grundwasser abgesenkt werden muss, besteht zudem die Gefahr, dass ein Großteil des noch übrigen Baumbestands vertrocknet. Die Stuttgarter Feinstaubwerte gehören zu den höchsten der Republik. Die fatalen Folgen der Fällung einer solch großen Menge von großen Bäumen werden sich bald zeigen.

Um den Kellerbahnhof S21 überhaupt bauen zu können, muß die Bahn das Grundwasser absenken, indem sie es um die spätere Baustelle herum abpumpt. Ursprünglich waren 3,2 Mrd. Liter über die geplante Bauzeit hinweg genehmigt, nun sollen es gar 6,8 Mrd. Liter sein; möglicherweise reicht auch diese Menge nicht aus. Dieses Wasser wird aber nicht einfach in den Neckar abgeleitet, sondern - als Gegendruck gegen das unter Druck stehende Mineralwasser - an anderer Stelle wieder in den Boden eingeleitet. Die Folgen sowohl des Abpumpens als auch der Einleitung insbesondere für das Kernerviertel sind völlig unabsehbar. Geologen halten Schäden an Gebäuden und sogar Hangrutschungen für möglich - Nachterstedt und die Kölner U-Bahn-Baustelle lassen grüßen! Die Hausbesitzer des Kernerviertels sind bereits alarmiert.

Den Behinderten
Der Kopfbahnhof ist wunderbar barrierefrei; alle 16 Gleise sind ebenerdig zu erreichen. Die Züge können aufeinander warten, was allen Bahnreisenden, aber besonders den Behinderten das Ein-, Aus- und Umsteigen erleichtert. Die Bahnsteige des Tiefbahnhofs dagegen sind nur über Aufzüge und Rolltreppen erreichbar. Im Falle eines Brandes funktionieren diese aber nicht mehr, und der Tiefbahnhof wird für Behinderte zur tödlichen Falle. Die Bahn hat kein Konzept für eine Evakuierung. In der sog. Schlichtung sagte Bahnvorstand Kefer, daß die Bahn im Brandfall für die Rettung von Gehbehinderten auf die Hilfsbereitschaft von fliehenden Mitreisenden und auf Lautsprecherdurchsagen setzt. Das ist absolut abenteuerlich und menschenverachtend! Beim Tiefbahnhof ist auch keine Zufahrt für Rettungs- und Einsatz-Fahrzeuge oder größeres Gerät vorgesehen.

Die Politik und S21

Wie oben dargestellt, ist S21 für die Projektbetreiber in erster Linie ein Immobilienprojekt. Für die Gegner ist es ein Demokratieprojekt. Sie wehren sich gegen die Arroganz der Macht der Politik wie der Wirtschaft, gegen die Lügen und Halbwahrheiten in der Projektkommunikation, gegen die Salamitaktik, in der unvorteilhafte Informationen ans Licht kommen. Es reicht ihnen nicht mehr, einmal alle vier Jahre als Wähler willkommen zu sein, das Kreuzchen auf dem Wahlzettel dann aber alles legitimieren soll, das die gewählten Politiker sich in den Kopf setzen.

Und sie wehren sich gegen den Filz (ein schöner klingendes Wort für Korruption) zwischen Politik und Wirtschaft. Finanzbürgermeister Föll beispielsweise ist im Nebenjob für die Wolff & Müller-Holding beratend tätig, einem großen privaten Bauunternehmen, daß u.A. den Nordflügel des Hauptbahnhofes abreißen durfte und auf weitere lukrative S21-Aufträge hofft. Oder die Partnerin des früheren Ministerpräsidenten und S21-Befürworters Oettinger, Friederike Beyer. Sie ist Mitglied im geschäftsführenden Vorstand einer Stiftung von ECE, eines Shoppingcenter-Betreibers aus Hamburg. Dieser möchte auf dem Gelände von Stuttgart 21 ein Einkaufszentrum errichten. Die Liste ließe sich fortsetzen...

S21 wird leider auch durch eine ganz große Koalition im Landtag und Gemeinderat begünstigt: CDU, FDP und SPD (die "Tunnelparteien"), neuerdings auch die Grünen, befürworten das Projekt, nur im Gemeinderat sind SÖS und die Linke für die Alternative K21. Eine immer größere Zahl von SPD-Mitgliedern spricht sich zwar gegen S21 aus; die Parteispitze jedoch steht nach wie vor in einer Mischung aus Faktenresistenz und politischer Gesichtswahrung zu S21.

Die frühere Landesregierung unter Ministerpräsident Mappus glaubte, den Widerstand gegen S21 brechen zu können, indem sie am 30.09.2010 ein Exempel statuieren zu wollte. Sie ließ eine angemeldete Schüler-Demonstration gegen S21 mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas auflösen. Dabei wurden hunderte von Demonstranten z.T. erheblich verletzt; die Schüler erhielten sozusagen eine unvergessliche "Lehrstunde in Demokratie". Dieser völlig unverhältnismäßige Polizeieinsatz, für den keiner der beteiligten Politiker bereit war, die Verantwortung zu übernehmen, trug im März 2011 wesentlich zur Abwahl von Mappus und der Wahl des ersten grünen Ministerpräsidenten Kretschmann bei.

Nach dem unheilvollen Polizeieinsatz wurde unter der Leitung von Heiner Geissler im Oktober und November 2010 eine sog. "Faktenschlichtung" durchgeführt, in der in einer Reihe von öffentlichen Diskussionsrunden zwischen Befürwortern und Gegnern die wichtigsten Aspekte des Projektes S21 besprochen wurden. Dabei zeigten sich sehr deutlich die Planungsmängel der Bahn und die gewaltigen Risiken. Allerdings muß man rückblickend diese sog. Schlichtung eher als PR-Gag der damaligen Landesregierung ansehen. In seinem Schlichterspruch forderte Geissler wesentliche Verbesserungen des Projektes, unter Anderem ein neuntes und zehntes Gleis. Diese würden aber in geringer Tiefe direkt unter dem Bankgebäude der LBBW hindurchführen. Das riskiert kein Tunnelbau-Unternehmen (für die Untertunnelung des Daimler-Benz-Werkes in Untertürkheim findet sich auch kein Auftragnehmer). Man darf annehmen, daß auch die anderen Forderungen Geisslers niemals realisiert werden, da sie S21 um Hunderte von Millionen Euro weiter verteuern würden.

Die sog. "Volksabstimmung" am 27. November 2011 hätte eine Chance sein können, den Wahnsinn S21 doch noch zu kippen. Im Nachhinein muß man aber sagen, daß die Abstimmung im Grunde doch nur eine pseudo-demokratische Inszenierung war. Pseudo-demokratisch deshalb, weil der SPD-Teil der Landesregierung, auf dessen Initiative die Abstimmung zurückgeht, sich darauf verlassen konnte, daß das Quorum ohnehin nicht erreicht wird. Weiterhin ist davon auszugehen, daß ein Großteil der Wähler nicht oder nur unzureichend über die Zusammenhänge informiert war -womit die Wähler in guter Gesellschaft mit den Abgeordneten waren, die auch nicht die ganze Wahrheit kannten, als sie über S21 abgestimmt haben. Pseudo-demokratisch war die sog. "Volksabstimmung" auch deshalb, weil mit der Ablehnung des Ausstiegsgesetzes ein Verfassungsbruch (die sehr wahrscheinlich verfassungswidrige Mischfinanzierung von S21) legitimiert wurde. Ein unermesslicher Kollateralschaden für die Demokratie!

Die von der grün-roten Landesregierung immer wieder behauptete Deckelung des Landesanteils an der Finanzierung von S21 kann nur als albern bezeichnet werden. Sobald die Bauarbeiten erst einmal angefangen haben, werden das Land und die Stadt Stuttgart zu Geiseln der Bahn. Irgendwann wird diese die 4,5 Milliarden ausgegeben haben, S21 wird aber noch lange nicht fertiggestellt sein. Die Bahn wird dann sagen: "Wir würden ja gerne fertigbauen, aber Ihr müßt zahlen!". Und damit nicht eine häßliche Wunde mitten in Stuttgart und die Stadt ohne Bahnhof zurückbleibt, werden Stadt und Land ganz selbstverständlich zahlen, was bleibt ihnen dann auch noch übrig?

Die Mitglieder der Landesregierung -auch Herr Kretschmann- haben in ihrem Amtseid geschworden:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

Davon kann in mehrfacher Hinsicht keine Rede sein: Durch das Projekt eines untauglichen Bahnhofes wird der Nutzen des Volkes verringert, durch die Nicht-Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Mischfinanzierung von S21 wird Schaden nicht abgewendet, Verfassung und Recht nicht bewahrt und verteidigt und durch die Nicht-Aufarbeitung des unseligen Polizeieinsatzes vom 30.09.2010 wird auch keine Gerechtigkeit gegen jedermann -besonders die verletzten Demonstranten- geübt. Da kann man nur sagen: Ein Versagen auf der ganzen Linie! Herr Kretschmann hat sich durch seine gebrochenen Wahlversprechen sein Amt als Ministerpräsident erschlichen und einen Meineid geschworen! Nicht umsonst ist jetzt "Kretschmann weg!" statt "Mappus weg!" zu hören. Kretschmann ist eine einzige, gewaltige Enttäuschung!

Arno Luik vom Stern schrieb: ”Herr Kretschmann will in die Geschichtsbücher eingehen. Das läßt er sich nicht durch ein Bahnhöfle kaputt machen.” Dieses Ziel hat Kretschmann zweifellos erreicht, aber vielleicht nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Kretschmann wird als derjenige grüne Ministerpräsident in Erinnerung bleiben, der ein völlig unökologisches, unwirtschaftliches und inhumanes Großprojekt bewußt nicht verhindert hat, der damit Stuttgart und dem Land schwerste Schäden zugefügt haben wird. Von seiner eigenen Partei -vielleicht sogar bundesweit- ganz abgesehen. Kretschmanns Tatenlosigkeit beruht aber mit Sicherheit nicht auf Unwissen, es ist Mutwillen! Ich würde niemals so weit gehen zu behaupten, Herr Kretschmann sei gekauft, weil man es auch nicht beweisen kann, aber es fällt schwer, es nicht zu denken.

Der Widerstand gegen S21

Der Widerstand gegen das Projekt S21 wird getragen von dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Dazu gehören der BUND, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, die Initiative Leben in Stuttgart - Kein Stuttgart 21, PRO BAHN e.V., der VCD Baden-Württemberg, die Stiftung Architektur-Forum Baden-Württemberg, SÖS Stuttgart Ökologisch Sozial, GewerkschafterInnen gegen Stuttgart 21, die Parkschützer sowie DIE LINKE Baden-Württemberg. Weiterhin gibt es Gruppen wie die Architekten gegen S21, Anwälte gegen S21, Ingenieure 22 oder die Unternehmer gegen S21. Und natürlich viele tausende von Privatpersonen aus Stuttgart und dem Umland, die Montag für Montag und zu anderen Gelegenheiten auf die Straße gehen, um gegen das Wahnsinnsprojekt zu demonstrieren. Im Widerstand gegen S21 sind alle Altersgruppen und sozialen Schichten vertreten. Man ist auch nicht "gegen Alles", wie die Befürworter gerne behaupten, sondern für einen sinnvollen Bahnverkehr und die Renovierung und Verbesserung des Kopfbahnhofes (siehe "K21 - Die sinnvollere Alternative"). Die wöchentlichen Demonstrationen heißen nicht von Ungefähr "Montagsdemo" und ein häufiger Spechchor lautet: "Wir sind das Volk" (siehe Demokratieprojekt). Die Phantasie, die Buntheit und nicht zuletzt bis heute die Gewaltfreiheit sind die besonderen Merkmale des Widerstandes gegen S21.

K21 - Die sinnvollere Alternative

Der (eigentlich denkmalgeschützte) Stuttgarter Kopfbahnhof hat zweifellos bessere Tage gesehen. Das kommt aber daher, weil die Bahn seit Jahrzehnten kein Geld mehr in die Erhaltung der Substanz investiert hat (je besser die Profite der Bahn sind, desto besser kann man sie später an der Börse zu Geld machen). Für die Befürworter ist Stuttgart 21 alternativlos (s.o.), aber es gibt die Alternative: K21, der renovierte Kopfbahnhof. Mit dem lassen sich zwar weniger umfangreiche Immobiliengeschäfte machen (etwas geht auch damit), aber er ist für den Regional- und Fernverkehr einfach besser geeignet (s.o.). Weiterhin kann man die Aus- und Umbauten in Teilen realisieren und diese auch gleich nutzen; bei Stuttgart 21 muß das Projekt als Ganzes fertiggestellt werden, bevor es genutzt werden kann. Und: K21 kostet nur etwa die Hälfte von S21.

Wie geht es weiter?

Alle wirklichen Argumente sprechen u.E. gegen S21 und für K21. S21 ist ein Planungs-Desaster und wäre eigentlich in jeder Hinsicht zum Scheitern verurteilt. Dennoch oder gerade deshalb wurde am 15.02.2012 um 3:00 Uhr in der Nacht mit einem Aufgebot von 2000 Polizeibeamten der Schloßgarten geräumt und abgesperrt. Zuvor war vom Vize-Ministerpräsidenten und Finanzminister Nils Schmidt der sog. Gestattungsvertrag unterzeichnet worden, der der Bahn die Rodungs- und Bauarbeiten erst ermöglicht hat. Parallel dazu wurde auch der Südflügel des Haupbahnhofes abgerissen. Dies ist natürlich reiner Aktionismus! Bevor das sog. ”Grundwassermanagement” nicht fertiggestellt, erprobt und in Betrieb ist und der Grundwasserspiegel um bis zu 18 Meter abgesenkt wurde, kann die Bahn keine Baugrube ausheben, weil diese dann sofort unter Wasser stünde. Man darf gespannt sein, ob auf der jetzt geräumten und abgesperrten Fläche mehr passiert als auf der Fläche des abgerissenen Nordflügels. Dort standen sich zwei Jahren lang Wachleute die Beine in den Bauch.

Wir können davon auszugehen, daß Stuttgart 21 sowieso nicht gebaut wird, weil es gar nicht realisierbar ist (siehe: Risiken von S21). Die Bahn kann es nicht! Nach Jahrzehnten der Planung kann die Bahn nur Stückwerk vorlegen, das nicht funktioniert. Das Scheitern der Bahn ist ein Scheitern auf Raten: Die Bahn kennt die Risiken sehr gut, und versucht diese auf ihre Subunternehmen abwälzen. Daher findet sie entweder keine Auftragnehmer für einige Bauabschnitte, oder diese werden insolvent (wie jüngst Keller-Bau), oder sie springen ab (wie Wolff & Müller). Weil die Bahn das Grundwasser nicht in den Griff bekommen kann. Weil sie nicht alle erforderlichen Planfeststellungen erreichen kann. Und spätestens, wenn sie den Gipskeuper anbohren läßt, und dieser durch das einsickernde Wasser aufquillt unter der Stadt, wird die Bahn endgültig in einem Sumpf von Problemen feststecken. Und dann wird die (wahrscheinlich dann neue Berliner) Politik die Notbremse ziehen, durch einen Verkehrsminister, den man endlich als solchen bezeichnen kann (Herr Ramsauer ist da leider ein Totalausfall). Es ist nur die Frage, wieviel Schaden bis dahin angerichtet ist. Denn der ist jetzt leider unvermeidlich. Wir machen bei unseren Diensten an der Mahnwache am Hauptbahnhof regelmäßig die Erfahrung, daß uns Menschen anfeinden, ja sogar wüst beschimpfen, die aber gleichzeitig die elementarsten Zusammenhänge bei S21 nicht kennen - ja gar nicht wissen wollen. Je größer aber der Schlamassel wird, der mit S21 in Stuttgart angerichtet wird, desto weniger werden sie die Wahrheit ignorieren können. Dann -so ist zu hoffen- wird die große Mehrheit der Bürger allmählich erkennen, wie sie hinters Licht geführt wurde.

Die Bahn bastelt derweil munter vor sich hin, obwohl sie noch nicht einmal ein durchgängiges Baurecht besitzt. Und die Politik schaut tatenlos zu. Klar, die Bahn geht so weit, wie man sie läßt. Mehr noch: Indem die Regierung Kretschmann die Rechtsbrüche der Bahn duldet und die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung nicht prüfen läßt, verursacht sie einen unabsehbaren Schaden für die Demokratie und macht sich mitschuldig an den Folgen. Herr Kretschmann sagte einmal in einem Interview, nur "ein Wunder" könne S21 noch stoppen. Mittlerweile haben wir mehr und mehr den Eindruck gewonnen, daß der Stopp von S21 gar nicht (mehr?) beabsichtigt ist. Nach der Landtagswahl konnte man noch annehmen, daß der Politik/Wirtschafts- Filz etwas zurückgedrängt wurde. Jetzt sieht es aber so aus: Mit Grün-/Rot filzt es sich ebenso gut!

Volker Lösch, Regisseur des Stuttgarter Schauspielhauses, brachte es auf den Punkt: "Wir bekommen in diesen Monaten in Baden-Württemberg eine Spielart des passiven, des opportunistischen Staates präsentiert, der in Form der grün-roten Landesregierung beharrlich ignoriert, daß auch die Staatsgewalt ans Grundgesetz gebunden ist, und daher in der Pflicht steht, der gesetzeswidrigen S21-Mischfinanzierung gerichtlich nachzugehen." Treffender kann man die aktuelle politische Misere in Stuttgart nicht beschreiben.

Es ist leider ein verbreitetes Mißverständnis, daß Politiker, weil sie von uns gewählt wurden, dann auch unsere Interessen vertreten. Das war vielleicht mal so, und ein Teil unserer Politiker mag auch noch so handeln. Es scheint aber offenbar immer häufiger so zu sein, daß ganz andere Interessen verfolgt werden. Und da ist Stuttgart 21 nur ein -wenn auch krasses- Beispiel von Vielen. Wenn sich die Bürger nicht einmischen, macht der Filz was er will!

Anfang 2013 gab es auch Hoffnung: Die Initiative der Juristen zu Stuttgart 21 hatten ein Rechtsgutachten vorgelegt, demzufolge die Beendigung des Projektes S21 für die Bahn erheblich wirtschaftlicher als dessen Fortführung sei. Ebenso seien Ausstiegskosten im Milliardenbereich völlig unrealistisch. Mithin sei ein Ausstieg der Bahn schon aus wirtschaftlichen Gründen dringend geboten. Und da der Kostendeckel von S21 durch die jüngste Kostenexplosion gesprengt ist, sei auch die Grundlage der sog. Volksabstimmung vom 27.11.2011 entfallen. Auf der Basis des Rechtsgutachtens haben die Juristen zu S21 die Mitglieder des Aufsichtsrates der Bahn AG angeschrieben und sie auf ihre Verantwortung hingewiesen, das Projekt im Interesse der Deutschen Bahn zu beenden. Ansonsten würden sich diese nicht nur des Straftatbestandes der Untreue schuldig, sondern auch noch schadenersatzpflichtig machen, ohne daß die Haftpflichtversicherungen der Aufsichtsräte dafür aufkämen. Am 05.03.2013 jedoch beschloß der Aufsichtsrat mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung, den Weiterbau des Projektes S21 zu billigen. Wir dürfen annehmen, daß dies auch oder gerade dem massiven Druck der Politik geschuldet war. Kanzlerin Merkel hatte sich zuvor massiv für das Projekt eingesetzt. An S21 entscheide sich die "Zukunftsfähigkeit Deutschlands". Aber S21 wäre aber nicht das erste falsche Pferd, auf das Frau Merkel gesetzt hatte. Durch das Weiterbauen der Bahn will sie S21 buchstäblich um jeden Preis aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Vermutlich aber wird sie genau das Gegenteil erreichen und den Parteien der Opposition eine Steilvorlage liefern. Und die Aufsichtsratsmitglieder dürfen sich auf juristische Konsequenzen einstellen; gegen die Bahnvorstände Grube und Kefer wurde von den Juristen zu Stuttgart 21 bereits eine Anzeige wegen Betrugs und Untreue bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht.

Stuttgart 21 ist ein Verbrechen, das vor unser aller Augen verübt wird! Das Ausmaß der Lügen und Rechtsbrüche von Bahn-Management und Politik sowie deren Billigung unverantwortbarer Risiken sind völlig unerträglich und müßten einen Aufschrei des Volkes zur Folge haben. Dieser bleibt aber leider (noch) aus. Auch durch die verlorene sog. "Volksabstimmung" wurde keines unserer Argumente gegen Stuttgart 21 widerlegt. Es ist höchste Zeit, diesem Spuk ein Ende zu setzen. Daher jetzt erst recht: Der Widerstand muß und wird weitergehen, friedlich, phantasievoll und mit allen Mitteln der Zivilgesellschaft, bis wir S21 endlich gestoppt haben. Oben bleiben!!!

Weitere Informationen

http://www.bei-abriss-aufstand.de
http://www.kopfbahnhof-21.de
http://www.parkschuetzer.de
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Ausgabe des "TUNNELBLICKS" zu Brandgefahren in Tunneln (PDF)
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Oben bleiben!

Unser Motto zu S21: "Entweder Du bist dafür oder Du hast Dich informiert".

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